10 psychologische Effekte, die Eventmanagende kennen sollten

Was haben Events mit Psychologie zu tun? Vielleicht mehr, als du gerade denkst. Bei einem Event kommen unterschiedliche Menschen zusammen, die miteinander und in ihrem Umfeld interagieren. Dabei ist jede*r Teilnehmende nicht nur Publikum, sondern gestaltet und formt das Umfeld auch aktiv mit. Das macht Events zu komplexen, spannenden Systemen, in denen Menschen bewusst und unbewusst Reize wahrnehmen und verarbeiten. Welche Rolle Eventpsychologie für das Erleben eines Events spielt, erfährst du in diesem Artikel. 

    1. Scaricity Effekt: Attraktivität des Events erhöhen
    2. Price Quality Illusion: Preise nicht zu tief setzen 
    3. Paradox of Choice: Weniger ist mehr 
    4. Peak-end Rule: Sorgfältige Planung mit Überraschungseffekt
    5. Multisensory Enhancement: So beeinflusst der Geruch das Event 
    6. Broken Window Theory: Auf Veranstaltungsumgebung achten 
    7. Social Proof: Soziale Verhaltensmuster für sich nutzen 
    8. Framing: Auf Kommunikationsrahmen achten
    9. Picture Superiority Effekt: Bilder sinnvoll einsetzen
    10. Survivorship Bias: Erfolg des Events realistisch messen

 

Eventpsychologie: Welche Rolle spielt sie für meine Veranstaltung? 

Die Wissenschaft zeigt: Eventplanende können psychologische Effekte für ihre Veranstaltung nutzen. Denn mentale Prozesse zu kennen und zu berücksichtigen, hilft dabei, die Teilnehmende besser zu verstehen und das Eventerlebnis zu verbessern. Vergleichbar mit anderen anwendungsorientierten Disziplinen wie der Verkehrs-, Sport- oder Werbepsychologie gibt es die Eventpsychologie, welche sich gezielt mit dem Transfer psychologischer Erkenntnisse in das Eventmanagement beschäftigt.  

Dazu gehören in erster Linie: 

  • Erkenntnisse aus der Kognitions- und Emotionsforschung 
  • Sozialpsychologische Phänomene 
  • Biologische Zusammenhänge beispielsweise zwischen Geruchssinn und dessen Einfluss auf die Wahrnehmung eines Events 

Besonders psychologische Effekte aus der Verhaltensökonomik, den sogenannten “Behavior Patterns”, sind in der täglichen Eventpraxis direkt anwendbar.

Ob du es glaubst oder nicht: Mit wissenschaftlich fundierten Tricks lässt sich das Erleben und Verhalten von Gästen leichter vorhersagen und beeinflussen, als du denkst. Wir geben dir 10 der wichtigsten Effekte mit auf den Weg. 

Diese 10 Effekte solltest du kennen 

1 Scarcity Effekt: Attraktivität des Events erhöhen 

Von diesem Effekt hast du sicherlich schon gehört: Sobald Menschen eine zunehmende Verknappung bewusst wird, erhöht sich dadurch das Interesse und auch die Preisbereitschaft für ein bestimmtes Produkt. Hat die Veranstaltung also ein limitiertes Kartenkontingent oder es gibt Tickets nur auf Einladung, kommt der auch als Knappheitsprinzip bekannte Scarcity Effekt zum Tragen. 

Ein exklusiver Teilnehmendenkreis, eine Ticketlimitierung bzw. die Kommunikation einer begrenzten Verfügbarkeit kann so die Attraktivität, Teilnahme- oder Zahlungsbereitschaft für eine Veranstaltung erhöhen.  

2 Price Quality Illusion: Preise nicht zu tief setzen 

Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Diese Binsenweisheit lässt sich psychologisch mit der Price Quality Illusion gut erklären: Menschen stellen einen vermeintlichen kausalen Zusammenhang zwischen dem Preis eines Produktes und dessen Qualität her und nehmen höherpreisige Objekte und Dienstleistungen somit auch als hochwertiger wahr. Der Preis wird daher gerade bei Dienstleistungen – ganz besonders auch in der MICE Branche – oft als einflussreicher Qualitätsindikator herangezogen und stellt im Eventkontext mitunter eine Herausforderung dar. Die seit 2020 vermehrten unverbindlichen und kostenfreien Angebote zu Online-Events sind vor diesem Hintergrund kritisch zu reflektieren.

Interessant zu wissen: Auch für andere Bereiche wie dem Catering ergeben sich interessante Implikationen: Studien belegen, dass beispielsweise der identische Wein von Menschen als qualitativ hochwertiger und wohlschmeckender bewertet wird, wenn dieser mit einem höheren Preis versehen ist.

 

Diesen Punkt solltest du bei der Bepreisung also unbedingt mit bedenken. Das Gute an diesem Punkt: Dieser Effekt wirkt sich nicht nur begünstigend auf die Wahrnehmung aus, sondern auch auf das Budget. Wie du als Eventplanende*r wahrscheinlich weißt, treiben kleine, unvorhergesehene Kosten die Ausgaben schnell in die Höhe. Hier also einen Puffer einzubauen, ist gleich doppelt gut. Doch Achtung: Lass keinesfalls die Zielgruppe und deren Preiswahrnehmung außer acht! Überteuerte Preise können diese auch abschrecken. Vergleiche dich also mit dem Wettbewerb deiner Branche, um die Preise sinnvoll anzusetzen.  

3 Paradox of Choice: Weniger ist mehr 

Mehr Auswahl ist doch immer besser, oder? Nicht ganz. Der Paradox of Choice Effekt beschreibt, dass die Auswahlmotivation sinkt, je mehr Optionen zur Verfügung stehen. Eine zu große Auswahl auf der Menükarte, bei Ticketoptionen, bei Ausflugsmöglichkeiten etc. führt also dazu, dass die Besuchenden eine Entscheidung vermeiden oder mit einer getroffenen Entscheidung eher unzufrieden sind. Bei bis zu drei – möglichst klar voneinander differenzierten – Optionen können Menschen für sich leichter die passende Option identifizieren und selbstsichere Entscheidungen treffen.  

4 Peak-end Rule: Sorgfältige Planung mit Überraschungseffekt 

Laut der Peak-end Rule bestimmen vor allem zwei Dinge die Erinnerung des Events: Ein emotionaler Höhepunkt und ein positiver Abschluss. Laut dieser Theorie beurteilen Menschen eine Erfahrung weitgehend danach, wie sie diese am intensivsten Zeitpunkt und am Ende wahrgenommen haben.

Wichtig dabei ist: Der Effekt tritt unabhängig davon auf, ob die Erfahrung positiv oder negativ besetzt ist. Die Veranstaltungsdauer und der Nettowert der Gesamterfahrung, der sogenannten net Pleasantness, beziehen Teilnehmer*innen nur unterproportional in die Bewertung ein. Events sollten aufgrund dieser selektiven Wahrnehmung der Gäste ein emotionales Highlight aufweisen und besonders positiv abschließen. Unerwartete Zusatzleistungen wie ein Live-Act oder Überraschungspakete beim Verlassen der Location können für ein besonders positiv wahrgenommenes Veranstaltungsfinale sorgen.

Im Umkehrschluss können aber auch negative Emotionen im unmittelbaren Nachgang der Veranstaltung – wie beispielsweise ein Parkplatzstau bei der Abreise vom Veranstaltungsgelände – als negativ belegter Abschluss des Events assoziiert werden. Für Eventmanager*innen bedeutet das: Es gilt, alle Aspekte zu berücksichtigen und nach Möglichkeit sorgfältig in die Planung einzubeziehen.  

5 Multisensory Enhancement: So beeinflusst der Geruch das Event 

Der Mensch ist durch seine fünf Sinne auf eine multisensorische Wahrnehmung ausgerichtet. Durch die zeitgleiche Informationsaufnahme durch visuelle, auditive, olfaktorische, haptische und gustatorische Reize entsteht ein subjektives Abbild des Events. So spielen auch Gerüche eine große Rolle: Besucher*innen einer Veranstaltung haben unweigerlich eine unterbewusste oder bewusste Geruchswahrnehmung, die sie wiederum – positiv wie negativ – mit dem Event assoziieren. 

Um im Rahmen eines Events beispielsweise eine Marken- oder Produktbotschaft optimal zu vermitteln, sollten daher die über die einzelnen Sinneskanäle eingehenden Informationen kongruent sein: Auf einem Messestand eines sich als ökologisch nachhaltig präsentierenden Unternehmens sollte es nicht nach typischen Messebaumaterialien wie Kunststoff, Lack, Leim oder Teppichboden riechen. Stattdessen sind neutrale oder, noch besser, natürliche Gerüche zu präferieren. Auch Auslegware und Give-Aways wie Kugelschreiber, für die haptische Wahrnehmung, sollten das Markenbild unterstützen und ein konsistentes Markenerlebnis bieten.

6 Broken Window Theory: Auf Veranstaltungsumgebung achten 

Verschmutzte Sanitäranlagen, leere Flaschen und Zigarettenstummel auf dem Boden: Nach der Broken Window Theory passen sich Menschen in ihrem Sozialverhalten der jeweiligen Umgebung an. Die Namensgebung geht auf ein Experiment des Psychologen Philip Zimbardo zurück und bezieht sich letztlich auf die Annahme, dass sich eine verwahrloste Umgebung – als Indikator mangelnder sozialer Kontrolle – selbst verstärkt. 

Auch die Umgebung auf einer Veranstaltung suggeriert den Gästen den sozial akzeptierten Verhaltensrahmen. Du kennst es wahrscheinlich selbst: Du stehst am Waschbecken einer öffentlichen Toilette und ein Papierhandtuch fällt aus dem Spender. Ist der Boden sauber, hebst du es wahrscheinlich auf. Liegen bereits andere Papierhandtücher auf dem Boden, lässt du es wahrscheinlich liegen. Es gilt also, durch Service- und Reinigungsdienste sowie organisatorische Elemente wie Pfandsysteme, leicht erreichbare Mülleimer, Aschenbecher, etc. solche Verhaltensmuster frühzeitig zu unterbrechen.

7 Social Proof: Soziale Verhaltensmuster für sich nutzen 

Der Social Proof Effekt stellt einen ähnlichen Effekt wie die Broken Window Theory dar und beschreibt das Phänomen, dass Menschen sich in sozialen Situationen an den Handlungen anderer orientieren. Menschen nehmen nämlich grundsätzlich an, dass das Verhalten von anderen das sozial richtige in der jeweiligen Situation widerspiegelt. 

Obwohl die Berücksichtigung sozialer Rückmeldungen grundsätzlich ein rationales Handlungsmotiv darstellt, wird gerade das Verhalten von größeren Gruppen auch unreflektiert übernommen. Dies ist bei Aggressionen in größeren Gruppen oder beim Fluchtverhalten unter der Bezeichnung Herding oder Person Affiliation auch sicherheitsrelevant, was die Wichtigkeit von geschultem Sicherheitspersonal unterstreicht. Denn: Menschen in Stresssituationen sind dazu geneigt, sich anderen Menschen anzuschließen, selbst wenn dies beispielsweise nicht der vorgesehene Fluchtweg ist. 

Veranstalter*innen können diese Effekte aber auch gezielt für sich nutzen: Um die Tanzfläche einer Veranstaltung zu beleben, genügt es bereits, wenn du wenige Menschen zum Tanzen motivierst oder gar stellst. Für Applaus kann ein einzelner sogenannter Claqueur sorgen und die erste – gegebenenfalls bereits vorbereitete – Frage nach einem Vortrag eröffnet die Diskussionsrunde und animiert so weitere Diskutant*innen aus dem Publikum. Häufig benötigt es nur einen kleinen Zündfunken, auch Katalysator genannt, um ein erwünschtes Sozialverhalten in Gang zu setzen. 

8 Framing: Auf Kommunikationsrahmen achten

Warum klingt ein halbvolles Glas nach Zugewinn und ein halbleeres Glas nach Verlust? Diese subjektive Bewertung eines identischen Sachverhalts ergibt sich durch den Framing Effekt. Der Kontext, in dem du eine Information vermittelst, entscheidet maßgeblich über dessen subjektive Wahrnehmung. Durch ein sprachliches Framing kannst du so beispielsweise Einfluss auf die Preisbeurteilung und letztlich die Zufriedenheit von Gästen nehmen.  

Hier ein Beispiel: Angenommen, ein Theateranbieter bietet an Werktagen Tickets für 80€ und an Wochenenden für 100 € an. Für die Kommunikation dieses ökonomischen Sachverhalts gibt es zwei Frames: Entweder gewährt der Anbieter an Werktagen einen Nachlass oder er verlangt an Wochenenden einen Aufschlag. Bei der Aufschlagsvariante werden die 20 € Differenz von den Wochenendgästen als ungerechtfertigte Mehrkosten empfunden, da das Theaterstück „eigentlich“ nur 80 € wert zu sein scheint. Wird hingegen ein Normalpreis von 100 € kommuniziert und für Besucher*innen unter der Woche ein Werktagsrabatt von 20 € eingeräumt, so ergibt sich für die Wochenendgäste nicht das Gefühl der ungerechtfertigten Verteuerung und für die Werktagsgäste sogar ein Belohnungsgefühl – nämlich eine Leistung im Wert von 100 € für 80 € ergattert zu haben. Ökonomisch betrachtet also gleiche Sachverhalte, je nach Frame jedoch mit psychologisch veränderter Wirkung.

9 Picture Superiority Effekt: Bilder sinnvoll einsetzen 

Der Picture Superiority Effekt beschreibt das Phänomen, dass Bilder besser im Gedächtnis bleiben als Worte. Piktogramme können außerdem dabei helfen, Informationen schneller zu erfassen: Zum Beispiel bei der Orientierung auf einem Veranstaltungsgelände oder bei Cateringangeboten. Symbole können also dabei helfen, Informationen schnell und einfach zu vermitteln, beispielsweise für Fluchtwege, vegane oder glutenfreie Lebensmittel, Nichtraucherbereiche, etc. 

Gerade auch im Hinblick auf eine barrierearme und interkulturelle Kommunikation empfiehlt es sich, eher Bild als Text einzusetzen. Auch die Informationsvermittlung bei Vorträgen und in Seminarunterlagen lässt sich durch eine zusätzliche Visualisierung der Inhalte mitunter erheblich verbessern. 

10 Survivorship Bias: Erfolg des Events realistisch messen 

Umfragen und Evaluationen von Events sind wichtig, um die Zufriedenheit der Gäste zu erfassen und für die Zukunft zu lernen. Doch ob diese aussagekräftig sind, hängt von vielen Faktoren ab. Ein Effekt ist dabei immer im Blick zu behalten: Die Survivorship Bias. Unter diesem Verzerrungseffekt verstehen wir den logischen Fehler, sich auf die Personen oder Dinge zu konzentrieren, die nach einer Selektion ersichtlich sind, und diejenigen zu ignorieren, die nicht mehr sichtbar auftreten.  

Klingt kompliziert, ist aber eigentlich ein einfaches Prinzip: Wenn du eine Mitarbeiterveranstaltung evaluierst, bei der es Mitarbeitenden jederzeit frei steht, die Veranstaltung zu verlassen, wirst du bei gleicher Stichprobengröße am Abend tendenziell eine bessere Bewertung der Veranstaltung erhalten, als am Vormittag. Eigentlich logisch: Es werden nämlich zuerst die Mitarbeitenden das Event verlassen, die damit unzufrieden sind. Im weiteren Verlauf des Tages reduzieren sich die Anwesenden (Survivors) auf die Mitarbeitenden, die freiwillig bleiben und so der Veranstaltung tendenziell positiv gegenüberstehen. Dieser Effekt der Auswahlverzerrung kann damit sowohl zu einer bewussten Beeinflussung von statistischen Ergebnissen als auch zur unbeabsichtigten Selbsttäuschung auf Seiten der Evaluierenden führen. 

Fazit

Diese Auswahl an Beispielen macht deutlich, wie wichtig es ist, die Psychologie bei der Planung und Durchführung eines Events im Blick zu behalten. Eventpsychologie lässt sich in unterschiedlichsten Bereichen eines Events anwenden und erstreckt sich allein bei der Betrachtung von Behavior Patterns auf rund 200 solcher psychologischen Effekte. Die psychologische Forschung im Eventkontext hat noch viel Potenzial und wird zukünftig eine noch effektivere und effizientere Gestaltung von Events ermöglichen.

Weitere Tipps von der Vorbereitung, über die Planung, bis zur Nachbereitung einer Veranstaltung findest du in der MICE Event-Checkliste:

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Über den Autoren:

Steffen Ronft ist Deutschlands einziger Hochschuldozent für Eventpsychologie und forscht an der Technischen Universität Kaiserslautern zu Wahrnehmungspsychologie im Eventkontext. Darüber hinaus ist er als Autor, Berater und Speaker tätig. Als Herausgeber des Standardwerks „Eventpsychologie – Veranstaltungen wirksam optimieren: Grundlagen, Konzepte, Praxisbeispiele (2021)“ und Mitautor des Gabler Wirtschaftslexikons gilt er als Wegbereiter dieses interdisziplinären Ansatzes. Er wurde hierfür mit dem MICE Innovation&Trend Award 2020 ausgezeichnet.

Weitere Einblicke in seine Arbeit und Informationen zur Eventpsychologie findest du hier: 

Rund 1.000-seitiges Standardwerk zu Eventpsychologie von 60 Fachautor*innen aus Wissenschaft und Praxis: Eventpsychologie – Veranstaltungen wirksam optimieren.

Buchkapitel zu 200 Behavior Patterns im Eventkontext (auch als einzelner PDF Download verfügbar).

 

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